Julie Orringer: Die unsichtbare Brücke

Ein Familienroman, der mich von Beginn an in den Bann gezogen hat: Hauptfigur ist der junge Andras, der aus Budapest nach Paris reist, um dort Architekturstudium zu beginnen.

Es ist 1937, und für einen Juden ist es damals schon schwierig, ein Visum und alle nötigen Papiere zu bekommen – aber mithilfe der jüdischen Gemeinde klappt es. Ohne ein Wort Französisch kommt Andras in Paris an. Er lernt jüdische Mitstudenten kennen, auch ein Professor ist Jude und Ungar – und Andras trifft die geheimnisvolle Claire Morgenstern, deren Familie er schon kurz vor der Abreise zufällig kennen gelernt hatte.

All das ist nur der Auftakt zu zwei intensiven Jahren in Paris, seiner Beziehung, einer amour fou, zu Claire und dem immer deutlicher werdenden Antisemitismus und dem Aufziehen des Nationalsozialismus. Wie eine Gewitterfront legt dieser sich über Andras‘ Leben, er muss nach Budapest zurückkehren. Die Repressalien nehmen ihren Lauf.

Orringers Romanepos (auf über 800 Seiten!) liest sich sehr gut, ist sprachlich herrlich und gut übersetzt. Die Dramatik der NS-Zeit wird den Lesern hier auf eine neue Art bewusst, denn wer kennt sich schon mit dem ungarischen Arbeitsdienst während des Kriegs aus? Und das persönliche Auf und Ab des Schicksals von Andras und Klara nimmt einen gefangen.

Erst am Ende wird klar, dass Orringer hier Teile ihrer Familiengeschichte verarbeitet. Zu dicht, zu wenig konstruiert ist die Handlung auch, als dass sie so hätte erdacht werden können.

Insgesamt: ein Buch mit hoher Intensität, das einen manchmal auch schlucken lässt – vor Glück, aber auch vor Unglück und Schicksal. Sehr lesenswert!

Julie Orringer: Die unsichtbare Brücke. KiWi 2011.