{Lesetipp} Hamburg: Der Trümmermörder

Trümmermörder | schokotexte.de

 

Eiskalt. Wochenlang, monatelang. Im später sogenannten „Hungerwinter“ 1946/47 stand das Thermometer lange wie nie im Minusbereich. Die Menschen, die den Krieg überlebt hatten, froren und hungerten. Weder genug zu Essen noch ausreichend Heizmaterial: Die Züge und Schiffe kamen aufgrund der Kälte nicht mehr durch.

In diesem eisigen Winter Anfang 1947 spielt der erste der drei Kriminalromane von Cay Rademacher: „Der Trümmermörder“ schlägt zu und hinterlässt seine Opfer nackt auf Trümmergrundstücken. Und davon hat Hamburg leider genug: Ganze Stadtteile waren durch die englischen Flächenbombardements, besonders im Sommer 1943, zerstört worden. Nichts steht mehr, Straßenzüge sind komplett verwüstet und unter Schutt begraben. Man beginnt gerade erst mit der Räumung, aber es ist mühsam und aufwändig.

Zwischen Kriegsende und Neuanfang

Protagonist der Reihe ist Oberinspektor Frank Stave. Auch er muss sich vom persönlichen Schicksal freimachen, während er ermittelt. Denn die Ehefrau starb wie viele andere im Hamburger Feuersturm im Juli 1943. Der Sohn wird vermisst, hatte er sich ausgerechnet in den letzten Kriegsmonaten noch freiwillig zur Armee gemeldet, damals noch begeistert für die Sache der Nationalsozialisten. Stave schlägt sich allein durch, hat immerhin eine Wohnung ergattert und wurde von den Engländern nach dem Krieg als Polizist rasch befördert, als viele der vormals parteitreuen Kollegen entlassen wurden.

Der Oberinspektor ermittelt gemeinsam mit dem englischen Leutnant MacDonald und seinem Kollegen von der Sitte, Maschke. Wer die Tote ist, die gefunden wird, können sie zunächst nicht ermitteln, keine persönlichen Gegenstände werden mehr bei ihr gefunden. Keine Vermisstenmeldung passt. Dazu leben viele Flüchtlinge und „DPs“ (displaced persons) in der Hansestadt. Die Bevölkerung ist damit beschäftigt zu überleben – viele bleiben lieber dort, wo es etwas wärmer ist als draußen.

Als es zu weiteren Leichenfunden kommt, und es auch hier keine verwertbaren Anhaltspunkte gibt, verzweifelt Stave fast. Doch erste Verdachtsmoment bringen ihn schließlich zu einer Spur, die ungeheuerlich scheint.

Versorgungsengpässe

Als Leser erfahren wir in diesem Roman sehr viel über die Zeitgeschichte – für mich fast der spannendste Punkt. Natürlich wissen wir einiges aus Erzählungen und Berichten. Die Lage aber in einem Roman geschildert zu lesen, vermittelt aber eine ganz andere Stimmung: Wir leiden mit den handelnden Personen und nehmen so viel enger Anteil an ihrem Schicksal.

Vieles im täglichen Leben, was uns heute selbstverständlich erscheint, funktionierte beispielsweise einfach nicht. Lebensmittel gab es nur auf Zuteilung und mit Anstehen; die Qualität ließ zu wünschen übrig. Viel musste improvisiert werden: Brennnesseltee war an der Tagesordnung. Gab es zwar ein paar Autos, so war auch noch das Benzin knapp. Straßenbahnen fuhren im Gegensatz zur Hochbahn teilweise wieder, aber nur auf noch bestehenden Strecken – und Strom war teuer, daher waren die Fahrten selten.

Für viele Menschen stellte der Schwarzmarkt die einzige Möglichkeit dar, sich mit lebensnotwendigen Dingen zu versorgen. Der Roman schildert, wie widersinnig Razzien zum Teil waren: da wurden Güter beschlagnahmt, mit denen nicht gehandelt werden durfte, die aber sehr stark benötigt wurden – und die es woanders einfach nicht gab.

Spannend fand ich außerdem, dass die Fahndungsmöglichkeiten sehr eingeschränkt waren: das Radio wurde erst wieder aufgebaut – und nur wenige hatten einen Radioapparat –, Fernsehen gab es noch nicht. Zeitungen berichten über den Fall, erscheinen aber auch gerade erst wieder. Die gesamte Kommunikation ist verlangsamt und natürlich auch eine ganz andere als heute. Das war sie in meiner Kindheit auch, aber hier sind wir noch ein bis zwei Generationen weiter zurück in der Zeit.

Am Ende kann Stave den Fall aufklären – und es wird tatsächlich Frühling. Spannend übrgens: Den Fall gab es wirklich, allerdings wurde er im wahren Leben nie gelöst.

Fazit

Lesenswert, mit sehr viel Hamburger Nachkriegsgeschichte! Zwei weitere Bände gibt es noch. Alle sind, wie ihr am Bild seht, auch in der Hamburger Bücherhalle ausleihbar.

Das Buch von Cay Rademacher: „Der Trümmermörder“ erschien im DuMont Verlag.