Jodie Picoult: Zeit der Gespenster

Im Norden des US-Bundesstaates Vermont steht ein altes Haus, sein Besitzer ist im Pflegeheim und bereit es zu verkaufen. Der pontenzielle Käufer, ein Bauinvestor, will ein Einkaufszentrum auf dem Grundstück errichten. Doch der Protest der im Ort lebenden Indianer verhindert ein weiteres Vorgehen.

Gleichzeitig geschehen merkwürdige Dinge: der Boden gefriert im Sommer, es regnet Blüten. Der Grund, so munkelt man, ist ein alter Indianerfriedhof auf dem Grundstück – die Geister wehren sich gegen den Neubau. Spukt es im Haus?

Ross Wakeman hat bisher als Geisterjäger gearbeitet, die eigentliche Motivation für seine jahrelange Beschäftigung mit dem Thema ist aber der frühe Tod seiner Verlobten vor einigen Jahren. Er hofft, sie als Geist wieder zu sehen und den Unfall, der zu ihrem Tod führte, aufzuarbeiten. Als er vom örtlichen Polizisten gebeten wird, sich mit dem „Spukhaus“ zu beschäftigen, willigt er ein. Während seiner Arbeit trifft er die geheimnisvolle Lia und verliebt sich in sie.

Jodie Picoult schafft es mit dieser Geschichte, zahlreichen weiteren handelnden Personen (die Flut derer ist am Anfang des Romans etwas unübersichtlich) und einer Rückblende in die 1930er Jahre, einen Bogen zu spannen: Indianerkultur, Geister und Spukgeschichten (aber es ist keine Gruselgeschichte!), Eugenik und unschöne aber historische „Experimente“, die es in dieser Zeit in Vermont wirklich gab, fesseln die Leser ebenso wie die – natürlich – vorkommende Liebesgeschichte.

Unterschiedliche Einzelschicksale und die verschiedenen Themen machen das Buch zum Schluss doch rund, obwohl es einen anfangs wirklich erschlägt, sowohl was die Personen- als auch die Themenfülle angeht. Ich habe oft zurückgeblättert, um manche Zusammenhänge noch einmal nachzuvollziehen.

Alles in allem aber ein sehr lesenswertes Buch, das einen in unbekanntere historische Zusammenhänge der amerikanischen Geschichte mitnimmt und trotzdem unterhaltsam ist!

Jodie Picoult: Zeit der Gespenster. Piper 2010.

Jutta Oltmanns: Das Geheimnis der Inselrose

Wieder hat Jutta Oltmanns einen *schönen* historischen Roman geschrieben, der in Ostfriesland spielt. Wie schon in „Die Friesenrose“ (2009, Fredebold und Fischer) nimmt Oltmanns ihre Leser mit in das 19. Jahrhundert, diesmal auf die Insel Wangerooge.

Die junge Wemke steht nach dem Tod ihrer Eltern mit ihrer kleinen Schwester allein da. Sie nimmt 1854 eine Stellung auf Wangerooge an, die, so heißt es in der Anzeige, „absolute Bindung erfordert“. Aber sie sieht keinen anderen Ausweg, denn Schwesterchen Freya ist gerade ein Jahr alt, und das Zimmer, in dem sie wohnen, wurde ihr gekündigt. So brechen sie in eine ungewisse Zukunft auf.

Auf der Insel trifft sie Jeels van Voss. Aufgewachsen bei seinem Ziehvater auf dem Festland, ist auch er erst einige Tage auf Wangerooge. Nach dem plötzlichen Tod des Ziehvaters erfuhr er von seinen Wurzeln auf der Insel: die Mutter Reemke lebte hier, ebenso die Großmutter.

Warum waren sie auf der Insel nicht anerkannt und wurden gemieden? Was hat es mit der „Gabe“ auf sich, die auch seine Mutter besessen hatte? Gerüchte sprechen davon, dass die Mutter ein Meerweib war. Jeels ist zwar Arzt, verschweigt dies auf der Insel aber lieber, und macht sich mit dem Strandstreicher Krischan daran, die alte Hütte seiner Mutter instand zu setzen. Schließlich muss er sich gegen die Anfeindungen und das Misstrauen der anderen Inselbewohner zu Wehr setzen.

Als Wemke auf der Insel eintrifft und Jeels erblickt, wissen beide sofort, dass sie füreinander bestimmt sind. Doch Wemke erwartet die „absolute Bindung“: Sie soll den schon älteren Badearzt Dr. Hoffmann heiraten, um die weiblichen Badegäste davon abzuhalten, ständig mit ihm zu flirten… Das Abkommen sieht aber eine platonische Ehe vor, Wemke hofft auf finanzielle Absicherung und ein ruhiges Leben – und eine gute Zukunft für die kleine Schwester.

Oltmanns „Inselrose“ ist ein richtig schöner Schmöker, der sich am besten mit einer Kanne (Ostfriesen-)Tee auf dem Sofa liest, besonders, wenn es draußen windig ist und regnet – das ist genau die Stimmung, die in einigen Teilen – und besonders am Ende – eine Rolle spielt. Natürlich kommen Dramatik und Liebe nicht zu kurz.

Leicht zu lesen und sicher in manchem auch voraussagbar, macht das Buch trotzdem Spaß und beschwingt!

Erschienen bei Heyne TB 2010.