[Buchbesprechung] Norbert Leithold: Herrliche Zeiten

Buchbesprechung | irgendwieschoen.deBerlin-Wannsee am Vorabend des zweiten Weltkrieges: Die reiche Fabrikantenfamilie Kypscholl sieht der Zukunft gelassen entgegen.

Der selbstgefällige Vater, weil er sich mit seinem Rasierapperatewerk sicher wähnt, die Mutter Elisabeth, Künstlerin, weil sie etwas naiv ist. Sohn Otto möchte Maler werden, wird von seinem Vater allerdings in die Wehrmacht gezwungen. Tochter Anna arbeitet als überzeugte Rassenbiologin und lebt mit Siegfried zusammen, der sie gerne heiraten möchte.

Während des Krieges arbeitet Otto innerhalb der Armee als Fachmann für Kunst und ist zuständig für die Beschlagnahmung von Kunstwerken in besetzten Gebieten. Heimlich schafft er einige zur Seite, um sich Vorteile (und Geld) zu verschaffen. Continue reading [Buchbesprechung] Norbert Leithold: Herrliche Zeiten

[Buchbesprechung] Thomas Meyer: Wolkenbruchs wunderliche Reise…

Wolkenbruchs Reise… in die Arme einer Schickse

Mordechai Wolkenbruch, genannt Motti, ist 25, Student, lebt in Zürich – und ist Jude. Sein Leben läuft seiner Ansicht nach normal: „Wir führten das Leben einer gewöhnliches, frommes jüdisches Dasein: Meine mame kochte knajdlech* und hielt die allgemeine Disziplin aufrecht, und mein tate verkaufte den Zürcher jidn Versicherungen“.

(* Im Buch wird teilweise jiddisch gesprochen, daher die ungewohnte Schreibweise. Aber keine Sorge: Laut lesen sowie das Glossar am Ende des Buches helfen weiter!)

Mame, die Mutter, hält dabei die Zügel nicht nur in der Hand. Sondern sie steuert auch nach ihrer eigenen Vorstellung das Leben ihres jüngsten Sohnes. Daher lief Mottis Leben bis jetzt in vorgezeichneten Bahnen. Allerdings ist die mame nun der Meinung, ihr jüngster Sohn müsse  schleunigst eine passende (und natürlich fromme jüdische) Frau finden. Zahlreiche von ihr eingefädelte Treffen mit geeigneten Kandidatinnen erzielen allerdings nicht den erwünschten Erfolg.  Continue reading [Buchbesprechung] Thomas Meyer: Wolkenbruchs wunderliche Reise…

Autoren-Interview mit Assaf Gavron

Im Rahmen des Literaturfests München gewann ich aufgrund meines Blogposts ein Interview mit dem israelischen Autor Assaf Gavron und habe mich darüber sehr gefreut! Nachfolgend lest ihr nun, was er auf meine Fragen geantwortet hat:

Lieber Assaf Gavron, verstehen Sie sich als politischen Schriftsteller, oder beschreiben Sie einfach „das Leben“?

Ich definiere mich nicht selbst. Aber ich merke, dass ich von Buch zu Buch die Genres und Stile wechsle – und selbst innerhalb eines Buches! Deswegen würde ich mich nicht als politischen Schriftsteller bezeichnen. Andererseits muss ich zugeben, dass meine letzten drei Bücher viel mit den politischen Umständen meines Landes und meiner Region zu tun hatten.

Doch selbst wenn ich große Themen wie Siedler, Selbstmordattentate oder die Zukunft des Wassers behandle, versuche ich diese Themen aus der Sicht der Menschen zu beschreiben. Durch kleine Details – und das verstehe ich nicht als ‚politisches Schreiben‘.  Continue reading Autoren-Interview mit Assaf Gavron

[Buchbesprechung] Lesley Downer: Die letzte Konkubine

Sachi lebt mit ihren Adoptiveltern im Japan um 1860, als ein Großereignis seinen Lauf nimmt: Die Schwester der Kaisers zieht mit ihrem Gefolge durch das Dorf ziehen, um den Shogun zu heiraten. 

Sachi – ganz entgegen der Etikette – blickt auf und schaut die Prinzessin an. Diese lässt Sachi in ihrem Gefolge mitreisen und nimmt sie im Frauenpalast auf. Dort lernt das junge Mädchen das strenge und traditionelle Leben des alten höfischen Japan kennen und wird wenige Jahre später zur letzten Konkubine des Shoguns.

Doch als der Shogun an den Folgen eines Mordanschlags stirbt und Unruhen über das Land ziehen, muss Sachi fliehen. Zunächst reist sie als Doppelgängerin der Prinzessin, schließlich als sie selbst – und erkennt, dass trotz der höfischen Erziehung auch immer noch das Bauernmädchen in ihr steckt, dass sie einst war. Continue reading [Buchbesprechung] Lesley Downer: Die letzte Konkubine

Buchbesprechung: „Schlecht aufgelegt“

Schlecht aufgelegtArbeiten in einem Callcenter, und dann noch Telefonvermittlung – nicht unbedingt der Traumjob für Paul, der eigentlich chronisch schlecht aufgelegt ist.

Als er seinen neuen Kollegen Kuli einarbeiten soll, gibt es promt Probleme: Eine Frau scheint sich am anderen Ende der Leitung mit jemandem zu streiten und die Auskunft nur aus Versehen angerufen zu haben. Dabei werden Kuli und Paul Zeugen eines Streits und beschließen, bei der Anruferin abends noch nach dem Rechten zu sehen.  Continue reading Buchbesprechung: „Schlecht aufgelegt“

Abraham Verghese: Rückkehr nach Missing

Der Familienroman beschreibt das Aufwachsen der Zwillingsbrüder Marion (ja, hier ein männlicher Vorname) und Shiva, die als Waisenkinder bei einem Ärzteehepaar im äthiopischen „Missing“-Krankenhaus leben. Dieser Name leitet sich aus dem Wort „Mission“ ab und ist von den Menschen vor Ort adaptiert worden.

Die Vorgeschichte ist dramatisch: Die Mutter der Zwillinge wächst in Indien auf und wird als junge Frau, zur Nonne und Krankenschwester ausgebildet, nach Aden geschickt. Während der langen Schiffsreise erkranken fast alle an Bord an Typhus. Der junge britische Arzt an Bord nimmt dankbar ihre Hilfe bei der Pflege der Kranken an, bevor auch er Symptome zeigt.  Continue reading Abraham Verghese: Rückkehr nach Missing

David Mitchell: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet, Teil 1

Die tausend Herbste des Jacob des ZoetJapan, 1799: Die Niederländer treiben Handel mit Asien. Vor der Stadt Nagasaki liegt der Handelsposten Dejima – eine ganz besondere Insel. Hier landet Jacob de Zoet als junger Mann und lernt nicht nur die Arbeitsabläufe, sondern auch eine besondere Frau kennen.

Jacobs eigentlicher Arbeitsauftrag lautet: Unregelmäßigkeiten der Buchführung aufspüren und nach Möglichkeit bekämpfen. Er beginnt seine Tätigkeit mit Feuereifer und großem Ernst . Im Laufe des Jahres  muss er allerdings erkennen, dass sich die Seilschaften der Vorgesetzten und Kollegen als stärker erweisen als ihr Ehrgefühl. Mit erheblichen Folgen für Jacob.  Continue reading David Mitchell: Die tausend Herbste des Jacob de Zoet, Teil 1

Geschenkideen historische Romane

Gerade wurde ich nach lesenswerten historischen Romanen gefragt. Daher hier eine kleine Auswahl meiner Lieblinge!

Amitav Ghosh, Das mohnrote Meer

Bangladesh um 1850: Viele armen Bewohner bauen Opium an, die Kolonialmacht Großbritannien beutet die armen Bauern „dankbar“ aus. Das ist der Rahmen für einen bunten Roman mit ganz unterschiedlichen Protagonisten: einen verarmten Prinzen, ein Bauernpaar, ein Junge, der von zu Hause weggeht. Sie alle haben mit dem Opium zu tun, also bauen es an oder konsumieren es. Und alle haben Gründe, ihr altes Leben zu verlassen und sich schließlich auf einem Auswandererschiff wieder zu treffen. Opulent erzählt, tolle Charaktere und Landschaftsbeschreibungen. Habe ich sehr gern gelesen!

Der Nachfolgeband ist gerade erschienen, er liegt aber noch auf meinem „Lesen!!!“-Stapel.

(Heyne TB, 9,95 Euro. ISBN 978-3-453-40597-4)

Ildefonso Falcones, Die Kathedrale des Meeres

Barcelona um 1500, der Junge Arnau kommt auf der Flucht in die freie Stadt Barcelona. Der junge Jude ist hier sicher, erlebt aber auch Diskriminierung. In seiner Nähe befindet sich eine kleine Kapelle, die zu einer großen Kathedrale umgebaut wird: Santa María del Mar. Der Leser wird auf die lange Lebensreise Arnaus mitgenommen, der verschiedene Berufe ausübt und wechselvollen politischen Wandlungen Barcelonas unterworfen ist. Auch für Nicht-Spanienkenner ein anspruchsvoller, gut recherchierter Roman, den ich mal über Silvester gelesen habe und gar nicht aufhören wollte…!

(Fischer TB, 12,95 Euro. ISBN 978-3-596-17511-6)

Maria Fiorato: Das Geheimnis des Frühlings

Italien, 1481: Luciana verdient ihr Geld als Straßenmädchen, als sie angeheuert wird, um Botticelli Modell zu stehen für das Gemälde „Primavera“ (Der Frühling). Geschmeichelt geht sie darauf ein, stiehlt dann aber aus Frust eine Skizze, da sie am Ende nicht entlohnt wird. Bald muss sie fliehen, die Skizze scheint wertvoll zu sein, Menschen in ihrer Umgebung müssen deswegen sterben. Auf der abenteuerliche Flucht versucht sie mit Hilfe eines Mönchs das Geheimnis hinter dem Gemälde zu lösen. Das Buch ist eine schöne und leicht geschriebene Geschichte, die sowohl Krimi, Liebesgeschichte, Kulturgeschichte als auch Kunstgeschichte in sich vereint. Ein schöner Schmöker!

(Blanvalet TB, 9,99 Euro. ISBN 978-3-442-37480-9)

Benjamin Lebert: Im Winter dein Herz

"buchhandel.de/Deutschland im Winter. Kurz nach Weihnachten ist es so weit: die Menschen nehmen ein paar Pillen und beginnen den üblichen dreimonatigen Winterschlaf. Nur Wenige verzichten darauf – dieses Jahr auch Robert. Der Ich-Erzähler nimmt die Leser mit auf seine Reise.

Aus einer Klinik bei Göttingen macht er sich mit einem Mit-Patienten und Annina, dem Mädchen von der Raststätte, auf nach München. Durch die verschneite Winterlandschaft, in der nur wenige Menschen unterwegs sind, suchen die drei ihren Weg. Eine besondere Winter-App zeigt ihnen, welche Gaststätten und Tankstellen trotz des Winterschlafs geöffnet sind. Continue reading Benjamin Lebert: Im Winter dein Herz

Henning Mankell: Erinnerung an einen schmutzigen Engel

Wieder ein neuer Roman des schwedischen Autoren, der uns wieder nach Afrika entführt.
Zwar lernen die Leser die junge Hanna in Portugiesisch-Ostafrika kennen, durch Rückblenden werden wir aber schnell in die verschneite schwedische Winterlandschaft 1903 versetzt.

Hanna stammt aus armen Verhältnissen, nach dem Tod des Vaters herrscht Hunger und Elend. Die Mutter bittet Hanna, die gerade 18 Jahre alt wird, an die Küste zu gehen und dort als Hausmädchen ihr Glück zu versuchen. Zuhause gibt es keine Möglichkeiten für sie. Continue reading Henning Mankell: Erinnerung an einen schmutzigen Engel